Eltern werden, Eltern sein – und wie es im Alltag gelingen kann
Ein Kind ändert alles, auch die Beziehung zwischen Mama und Papa. Damit die neuen Aufgaben und alte Rollenverständnisse im Alltag nicht zum Problem werden, braucht es ein offenes Miteinander – und vermutlich starke Nerven.
Ein Kind macht das Familienglück erst perfekt. Das ist zumindest die gängige Meinung und gleichzeitig die verbreitete Erwartung an junge Eltern: Sobald der Nachwuchs da ist, ziehen Glück und Harmonie bei ihnen ein. Grundsätzlich ist das nicht falsch, denn tatsächlich bedeutet ein Kind eine enorme Bereicherung und beschert den frischgebackenen Eltern eine Fülle an Glücksmomenten.
Ohne Anstrengung gibt es diese allerdings nicht. Besonders herausfordernd sind die Veränderungen, mit denen Paaren sich jetzt auseinandersetzen müssen: mit dem Rollenverständnis in der Beziehung, mit der Paarbeziehung an sich, mit eigenen und fremden Erwartungen. Dann ist der Alltag häufig eben nicht von Harmonie und Glück, sondern von Unsicherheit, Überforderung und Streit geprägt.
Was Sie sich immer vor Augen halten sollten: Das geht im Grunde allen Eltern so. Nirgendwo herrscht ständig eitel Sonnenschein, nirgendwo ist alles rund um die Uhr perfekt. Niemand ist vom Tag der Geburt an (oder sogar noch davor) vollkommen in der Rolle als Elternteil. Was diese verlangt und wie sie am besten ausgefüllt wird, muss jeder erst erlernen.
Wichtig ist dabei in erster Linie, einen eigenen Weg zu finden, auf dem sich Kind, Beruf, Haushalt und nicht zuletzt Partnerschaft miteinander vereinen lassen. Unter diesen Voraussetzungen ist es dann auch nicht so gravierend, wenn einmal etwas schieflaufen sollte.
Der Alltag zu dritt
Die erste große Herausforderung im Alltag mit Baby besteht darin, überhaupt einen Alltag zu gestalten. Viele Abläufe müssen sich erst finden und der Säugling wird sich ohnehin vorläufig an keinen festen Zeitplan halten. Neben mancher schlaflosen Nacht bedeutet das unter anderem, die Bedürfnisse des Kindes mit dem bisher üblichen Alltag unter einen Hut zu bringen.
Spätestens jetzt müssen die Eltern anfangen, Prioritäten zu setzen. Die dürften vorrangig dem Nachwuchs gelten. Der will schließlich in relativ kurzen Abständen – zumindest in der ersten Zeit – gefüttert, gewickelt und mit Nähe bedacht sein. Immerhin ist diese Bindung enorm wichtig. Daneben warten dann noch der Haushalt, der wegen des neuen Familienmitglieds zum Beispiel in puncto Wäsche gleich für einige Mehrarbeit sorgt. Vom Job ganz zu schweigen, dem in den meisten Fällen wenigstens ein Elternteil weiterhin nachgeht.
Prioritäten setzen meint also gleichzeitig auch, sich über die Rollen- und Aufgabenverteilung klar zu werden. Damit legen Sie rechtzeitig den wahrscheinlich wichtigsten Grundstein für Ihr zukünftiges Eltern sein – und Ihre Beziehung.
Kinder entwickeln sich – Eltern auch
An die Elternrolle ist ein ständiger Lernprozess gebunden. Niemand kann von Ihnen erwarten, dass von Anfang an alles perfekt funktioniert, dass Sie gemeinsam die Versorgung des Kindes und die Bewältigung aller übrigen Aufgaben ohne Reibungen oder Startschwierigkeiten stemmen. Erwarten sie das also auch nicht von sich selber.
Denn auf alles können Geburtsvorbereitungskurse Sie letztlich doch nicht vorbereiten: Auf all die täglichen „Ausnahmesituationen“, vor denen kein Ratgeber Sie warnt und die einem vermeintlichen Scheitern am Idealbild von Eltern gleichkommen. So schwer es Ihnen fallen mag: Bewahren Sie gerade dann, wenn das Familienleben um Sie herum zusammenzubrechen scheint, die größte Ruhe.
Sie werden schnell feststellen, dass es perfekte Eltern nicht gibt. Die meisten mögen mit derartigen Ambitionen Ihre Elternschaft angehen und sich am Ende doch eingestehen müssen, dass es manchmal auch mit weniger als 100 Prozent geht. Dass die Wohnung nicht immer makellos sauber und aufgeräumt sein muss. Dass jede noch so hehre Erziehungsmaßnahme (niemals Fernsehen, bis das Kind X Jahre alt ist! niemals etwas anderes als Holzspielzeug! niemals etwas anderes als selbstgekochtes Essen!) früher oder später vor der Realität bestehen muss.
Das macht Sie keineswegs zu schlechten Eltern. Im Gegenteil können Sie nur dann die unausweichliche Überforderung und Erschöpfung vermeiden, wenn Sie einen realistischen Blick auf alle Ihre Aufgaben haben – und sich nicht von zu hohen Erwartungen antreiben lassen. Ihrem Kind ist es ohnehin egal, wie perfekt sie alles gemanagt bekommen. Für den Nachwuchs zählt nur, ob sie sich zuverlässig um ihn sorgen, ihm Liebe und Geborgenheit schenken.
Eltern sein – gemeinsam
Trotzdem müssen Sie natürlich in allen Belangen weiterhin „funktionieren“: Job, Haushalt und Partnerschaft sind schließlich auch noch da. Mehr als genug Gründe, um die Beziehung einmal auf den Prüfstand zu stellen und einige grundlegende Dinge klar zu benennen. Denn sicher ist, dass sich die vielen Aufgaben und die vielen Veränderungen am besten gemeinsam bewältigen lassen.
Dazu kann es aber hilfreich sein, dieses „gemeinsam“ zu definieren. Dabei geht es nicht nur um die Verteilung der anfallenden Aufgaben, sondern genauso um die Rollen, die die Elternteile von nun übernehmen sollen. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind etwa:
- Wie werden die Arbeiten unter den Eltern aufgeteilt?
- Wie können dabei die individuellen Stärken am sinnvollsten eingesetzt werden?
- Umgekehrt: Wie soll der Umgang mit Schwächen aussehen?
- Wie sollen Entscheidungen getroffen werden – und wer hat in welchen Angelegenheiten das Sagen?
- Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Meinungen – und wie werden mögliche Spannungen gelöst, die daraus resultieren?
- Wie gut ist der Umgang mit geäußerter Kritik?
Warum es so wichtig ist, die Grundlagen der elterlichen „Teamarbeit“ so genau abzustecken, dürfte sich in der erstbesten Krisensituation zeigen. Die wird mit Sicherheit kommen. Schlafentzug, Hektik, persönlicher Frust und andere Dinge können an schlechten Tagen dafür sorgen, dass das Fass am Ende doch überläuft. Dann fällt es Ihnen womöglich schwer, die helfende Stütze zu sein, die Sie eigentlich sein müssten.
Das ist menschlich, trifft aber selbstverständlich auch immer das Gegenüber. Führen Sie sich also immer vor Augen, dass Sie gemeinsam in der gegenwärtigen Situation stecken und zeigen Sie, dass Sie ein verlässlicher Partner sind. Ganz egal, wie belastend die Umstände gerade sind.
Familie und Rollenbilder
Beim Thema Erwartungen und Aufgabenverteilungen dreht sich eine ganz zentrale Frage darum, wie die Rollen hinsichtlich Berufstätigkeit und Haushaltsführung vergeben werden. Problematisch kann in diesem Zusammenhang das gängige Bild sein, dass in weiten Teilen der Gesellschaft von einer „idealen“ Familie vorherrscht: Der Mann geht weiter arbeiten und fungiert als Ernährer seiner Familie, die Frau betreut zu Hause liebevoll das Kind und versorgt den Haushalt.
Mittlerweile ist diese Vorstellung jedoch glücklicherweise nicht mehr selbstverständlich. Dank Elternzeit und Kita-Angeboten für Kinder unter drei Jahren gibt es durchaus Möglichkeiten, die beiden Elternteilen gleichermaßen erlauben, Karriere und Familie miteinander zu verbinden. Unabhängig davon, wer nach der Geburt des Kindes seinem Job weiter nachgeht, sollte auch dieser Punkt unbedingt frühzeitig zwischen den Eltern thematisiert werden.
Der Punkt ist dabei nicht allein die Tatsache, dass die beruflichen Wünsche beider Elternteile berücksichtigt werden sollten. Das versteht sich von selbst. Es bleibt aber immer noch die Frage, wie sich die unterschiedlichen Rollen – berufstätiges Elternteil einerseits, erziehendes Elternteil andererseits – zueinander verhalten sollen. Was Sie sich klar machen müssen:
- In beiden Bereichen tritt Stress auf. Daraus sollte kein „Wettbewerb“ darum entstehen, für wen der Tag anstrengender war.
- Wer auch immer zu Hause beim Kind bleibt, hat dort auch das Sagen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Regeln ohne Absprache des Partners geändert werden oder dieser – weil er ja auf der Arbeit ist und nicht mitbekommt, was zu Hause passiert – von Entscheidungen und der Erziehung des Kindes ausgeschlossen wird.
Hier ist gegenseitige Rücksichtnahme gefragt. Erholung werden beide Elternteile dringend benötigen, auch wenn die Gründe dafür verschieden sein mögen. Mit ausreichend viel Verständnis für die jeweilige Situation des anderen, ist es aber möglich, etwaige Konflikte zu umgehen. Ganz unvermeidlich ist das je nach Verlauf des Tages vermutlich nicht. Dann ist es umso wichtiger zu wissen, dass Reibereien oder vielleicht sogar Streit nur aus der aktuellen Gemütslage heraus entstanden sind – und entsprechend schnell wieder geklärt werden können.
Eltern werden, Partner bleiben
Über das Einfinden in die Elternrolle und dem – verständlichen – Fokus auf das Kind dürfen Sie eines nicht vergessen: Sie befinden sich immer noch in einer Beziehung. Nur könnte die hinter die vielen anderen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zurückrutschen. Das ist insofern erstmal kein sonderlich dramatisches oder eltern-exklusives Problem, denn auch kinderlosen Paaren kann gelegentlich etwas „dazwischenkommen“ – etwa zu viel Zeit im Job und zu wenig Zeit für den Partner.
Eine starke Beziehung ist allerdings die beste Grundlage, um den Anforderungen des Elternseins gemeinsam entgegentreten zu können. Voraussetzung ist aber, dass Sie sich als Partner nicht aus den Augen verlieren: Mütter und Väter brauchen einfach auch Zeit für sich selbst. Dabei muss nicht einmal zwingend das Thema Sexualität eine Rolle spielen – obwohl es selbstverständlich dazugehört –, es geht zunächst einfach darum, Zeit zu zweit zu haben.
Gewissensbisse müssen Sie deswegen keine haben. Ein Kind macht die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern möglicherweise etwas komplizierter, dennoch ist es wichtig, dass Ihr Partner sich nicht vernachlässigt oder zurückgesetzt fühlt. Schaffen Sie sich deswegen immer wieder Freiräume, in denen Sie ganz füreinander da sein können:
- Fragen Sie Verwandte oder Freunde, ob diese die Betreuung für Ihr Kind wenigstens für ein paar Stunden „übernehmen“ können.
- In Ihrer gemeinsamen Freizeit sollten Sie auch genau die haben: Ohne Kind, ohne Aufgaben im Haushalt, ohne anderweitige Aufgaben – Zeit nur für Sie beide.
- Klären Sie Ihre Vorstellungen von Freizeit vorher ab: Soll es diese Möglichkeit regelmäßig zu festen „Terminen“ geben oder eher spontan? Gehen Sie in den freien Stunden gemeinsamen Hobbys nach oder wechseln sich Ihre Wünsche ab?
Freizeit kann aber auch bedeuten, wenigstens einem Partner eine schöpferische Pause zu gönnen. Wechseln Sie sich also möglichst häufig damit ab, Ihr Kind alleine zu betreuen. Immerhin gibt es durchaus Gelegenheiten, bei denen entweder die Väter oder die Mütter mit Ihrem Nachwuchs lieber unter sich sind. Nutzen Sie diese Gelegenheiten, um Ihrem Partner Zeit für sich selbst zu geben.
Vergessen Sie auf keinen Fall, dass nicht nur Ihr Kind Bedürfnisse hat und räumen Sie Ihren eigenen – als Paar genauso wie als Einzelperson – ausreichend Platz ein.
Allein mit Kind und Verantwortung
Wo Elternpaare immer noch den Partner als Rückhalt haben, müssen Alleinerziehende alle Belastungen und Aufgaben, die die Elternschaft mit sich bringt, erst einmal ohne eine ständige Unterstützung bewältigen. Das ist ungleich schwerer, da es keinerlei Möglichkeit gibt, Aufgaben und Verantwortung zu verteilen, um etwas Last von den Schultern junger alleinerziehender Mütter oder Väter zu nehmen.
Damit der Alltag in solchen Situationen nicht innerhalb kürzester Zeit zu einer unüberwindbaren Überforderung führt, sind Hilfsangebote umso wichtiger. Wenn Eltern, Geschwister, Verwandte oder Freunde Ihnen nicht in dem Maße Unterstützung bieten können, wie Sie sie für die alltäglichen Dinge des Lebens bräuchten, sollten Sie rechtzeitig reagieren.
Familienzentren, Familienberatungsstellen, die Sozialdienste der Geburts- und Kinderkliniken, das zuständige Jugendamt und nicht zuletzt der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. können Ihnen in verschiedensten Lebenssituationen und bei unterschiedlichsten Problemen, Sorgen und Fragen unter die Arme greifen. Es geht schließlich nicht nur um das Wohl des Nachwuchses – sondern auch um Ihres als Elternteil. Als wichtigster Mensch für Ihr Kind müssen Sie auch für sich sorgen, damit Sie für das noch junge Leben sorgen können.